Mit Lagerfeuern zu produktiveren Besprechungen

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\Tanja Köhler, Gewinnerin des diesjährigen BDVT-Trainingspreise, hat geschafft, wovon in vielen Firmen geträumt wird: Sie hat in einem mittelständischen Unternehmen die Produktivität und Arbeitszufriedenheit mit einfachen und doch tiefgreifenden Mitteln gesteigert.

Interview mit der Gewinnerin des BDVT-Trainingspreises 2012: Tanja Köhler

Liebe Frau Köhler, erst mal herzlichen Glückwunsch zu Bronze beim diesjährigen BDVT-Trainingspreis. Sie haben bei Ihrem Auftraggeber, GERO, Besprechungen effektiver und gleichzeitig mit dem Bild des gemeinsamen Lagerfeuers persönlicher und greifbarer gemacht. Wie sind Sie auf diese Idee gekommen?
Eigentlich ist das eher ein Zufallsprodukt gewesen, dass (tatsächlich!) alle Besprechungen durch die LAGERFEUER von GERO effektiver geworden sind. Wir haben nach einer Möglichkeit gesucht, Lernimpulse ins Unternehmen einzuspeisen. Das war gar nicht so einfach, da es dort einen starken Glaubenssatz gab, den man bundesweit für alle Schwaben kennt: „Schaffe – Schaffe – Häusle baue…“
Dieser Spruch hat allerdings einen tiefgründigen Keller: Schaffe ist Schaffe! Und Lernen und so ein „Entwicklungszeug“ ist nicht wirklich „Schaffe“, mit einer Ausnahme: man lernt fachspezifisch. Je ländlicher ein Unternehmen wie GERO gelegen ist, umso stärker ist dieser Glaubenssatz. Für uns stand also die Frage in der Luft: Was, wenn Qualifizierungsmaßnahmen jeglicher Art aufgrund dieses Glaubenssatzes ausscheiden? Wir mussten also Lernforen finden, welche von der Belegschaft UND der Geschäftsführung als Arbeitssituation anerkannt werden UND in welcher Lernen möglich ist. Vor drei Jahren las ich dann auf einer Geschäftsreise einen Artikel über einen Indianerstamm und darüber, was alles am Lagerfeuer so gemacht wird: aktuelle Themen werden besprochen, Unstimmigkeiten werden beseitigt, es wird zusammen gefeiert und eben auch gemeinsam gelernt… Und so war die Idee der LAGERFEUER geboren und auch relativ rasch ins Unternehmen eingespeist: denn Besprechungen (=LAGERFEUER) ist ja (fast) richtiges „Schaffe!“:

Die LAGERFEUER VON GERO sind tägliche abteilungsübergreifende Treffen für einen Zeitraum von max. 15 Minuten. Alle Lagerfeuer sind individuell gestaltet – haben aber alle als zentrierendes Moment eine Feuerstelle. An 5 unterschiedlichen Lagerfeuern treffen sich die Mitarbeiter der Einzugsgebiete: Verwaltung, Lager, Produktion, Versand, Lehrwerkstatt. Alle Mitarbeiter wissen, wann wo ein LAGERFEUER stattfindet. Sie können andere Lagerfeuer besuchen und zwar nicht nur, wenn sie ein konkretes Anliegen haben.

Zur Etablierung eines solchen Konzeptes gehört auch eine ganze Menge Mut und Willen seitens der Geschäftsleitung. Was hat GERO dazu bewogen, sich für eine solche nachhaltige Maßnahme zu entscheiden? Welche Rolle spielen Ihrer Meinung nach die Führungskräfte bei der Etablierung von solch neuen Konzepten innerhalb eines Unternehmens?
GERO hat eine hervorragende, wenn auch manchmal schwierige Konstellation auf der Geschäftsführungsebene. Die Gründergeneration steht für das Bewahren alter Traditionen und die neue Nachfolge-Generation für das „Sich Verändern“ aufgrund der Megatrends in der Gesellschaft. Beides – Bewahren und Verändern – hat Vor- und Nachteile und gemeinsam wird dieser Weg für GERO und für die Belegschaft gegangen: weil in der Tat braucht es beides, um erfolgreich zu sein: das Bewahren UND das Verändern.
Als mich die Geschäftsführung darauf ansprach, dass sie aufgrund der Megatrends (Stichworte: demografischer Wandel, Fachkräftemangel, Veränderung in der Werte bezüglich Work-Life-Balance, verändertes Verhalten der jungen Erwachsenen bezüglich Verweildauer beim Arbeitgeber, …) etwas an der (Lern-)Kultur des Unternehmens machen möchten und ein in der Region attraktiver Arbeitgeber werden möchten, gab es eine Bedingung von mir: WIR können das machen, aber ich brauche das absolute Commitment der Geschäftsführung zum Prozess und das Bekenntnis, auch in wirtschaftlich schwierigeren Zeiten oder mal hinsichtlich des Konzeptes weniger erfolgreichen Phasen durchzuhalten.
Wir haben dann von Anfang an ALLE Führungskräfte sowie Personen in Schlüsselpositionen in eine sog. Quo Vadis Runde aufgenommen. Auch das ist wiederum eine Besprechung, die allerdings einmal wöchentlich stattfindet. Dort gibt es für alle Führungskräfte  unternehmenswichtige Informationen wie z.B. Kennzahlen zur Umsatzerreichung oder Reklamationen. Gemeinsam wird dort überlegt, wie man GERO an Problemstellen besser machen kann. Dort werden aber auch Instrumente wie die LAGERFEUER von GERO besprochen. Wie bekommt man so etwas auf die Belegschaft transferiert? Wie muss ein Lagerfeuer bei den Zerspanern in der Produktion aussehen, wie das bei der Verwaltung, etc? So haben wir die Führungskräfte zu Multiplikatoren und Verbündeten gemacht. Alle gemeinsam haben wir somit Schritt für Schritt die Belegschaft dazu befähigt, auch mit Kennzahlen umzugehen. Freilich war und ist das ein ziemlich herausforderndes Unterfangen, das sich aber absolut lohnt. Und ich beantworte die sich gedanklich daran anschließende Frage auch mit „Ja!“: es konnten und wollten nicht alle Führungskräfte und Mitarbeiter diesen Veränderungsweg mitgehen.

Die Lagerfeuer sollten dafür sorgen, dass alles regelmäßig ohne Vorbehalte miteinander besprochen werden kann. Sind solche Situationen nicht auch konfliktanfällig? Wie haben Sie hier vorgebeugt?
(lacht) Wir haben dem nicht vorgebeugt, sondern wir haben mit den LAGERFEUERN ein Forum für den offenen Konflikt geschaffen. Es gibt endliche eine Stelle, an welchen Konflikte besprochen werden können! Und zwar so, dass es für alle sichtbar relativ rasch zu einem Abbau von Konflikten kam. Die Buchstaben F E U E R  sind nämlich sog. Feuerimpulse. Es gibt keine Leitfragen in den Lagerfeuern, sondern jeder kann einen Impuls „Feuern“. Zum Beispiel „F“ wie Fragen, Feedback, Fortschrittsberichte, „E“ wie Entwicklung, Erfolge, etc… und „U“ wie Unmut. Steht ein Unmut (Konflikt) im Raum, so wird dieser am Lagerfeuer direkt angesprochen. Es gibt aber zudem an jedem LAGERFEUER einen sog. Wächter. Diese Wächter sorgen zum einen dazu, dass die richtigen Impulse auch stattfinden, also dass das Feuer nicht ausgeht und es aber auch nicht zu groß bzw. zu einem Flächenbrand wird. Er kann also moderierend eingreifen. Gibt’s zum Beispiel also einen Vorwurf vom Versand an das Qualitätsmanagement wegen „nicht freigegebener“ Ware oder z.B. einen Unmut von der Produktion an den Vertrieb wegen „eigentlich nicht einhaltbarer Lieferzusagen“, dann wird das sofort am Lagerfeuer geklärt. Man kann also sagen: die LAGERFEUER von GERO sind die Konfliktprävention.

In welchen Bereichen des Projekts haben Sie mit dem persolog® Persönlichkeits-Modell gearbeitet?
Wir haben bei der Quo Vadis Runde das persolog® Persönlichkeits-Modell zuerst eingeführt. Wir haben uns dort behutsam den Dimensionen D I S G genähert und erstmal „vorgefühlt“, wie das ankommt. Das war total super, weil alle Führungskräfte sich selbst und auch andere in den Dimensionen erkannt haben. So haben wir dann auch auf freiwilliger Basis den Fragebogen durchgeführt. Für diejenigen, die das nicht wollten, haben wir das Modell so zugänglich gemacht, dass sie sich in den jeweiligen Typen wiedergefunden haben. Wir haben dann weiter miteinander besprochen, wer was im Motivationsprozess braucht bzw. wie man selbst effektiver wird oder was man dazu beitragen kann, dass der andere eben effektiver wird. Nach einer sehr lustigen und auch turbulenten Annäherungsphase wurde das Modell von den Führungskräften einstimmig als „wertvoll und hilfreich“ eingestuft und so wurde es derzeit auf die komplette Belegschaft transferiert. Und zwar in dem Sinne, dass die Dimensionen als Feuerimpuls „E“ wie Entwicklung sukzessive in den Lagerfeuern erklärt werden und man schaut, wer sich wo wie wiederfindet. Bei diesem Transfer bin ich als externe Trainerin dabei.

Welche Ergebnisse hat GERO mit der Etablierung der Lagerfeuer erzielt?
Im Zuge meiner Tätigkeit für GERO wurden viele Personal-Controlling-Kennzahlen eingeführt. Hier hat sich z.B. viel in der Arbeitszufriedenheit getan. Aber auch die „harten“ Zahlen feiern Erfolge. Die Anzahl der fehlerhaften Teile bzw. internen / externen Reklamationen wurden extrem nach unten geschraubt. Leider kann ich es nicht exakt sagen, welcher Teil dieses Erfolges den Lagerfeuern zuzuschreiben ist. Schließlich sind wir bei GERO einen umfassenden Veränderungsweg gegangen und die LAGERFEUER sind nur ein – wenn auch wichtiger – Teil davon.
Spannend ist aber vielleicht folgende Begebenheit: Ich habe neulich mal die Mitarbeiter geschockt, bin zu einem Lagerfeuer hingegangen und habe gesagt, dass das heute das letzte Lagerfeuer gewesen wäre und man morgen wieder so weitermacht, wie vor 2 Jahren. Ergebnis: absolutes GEROianer-Geheul – ich war echt froh, dass die dort nicht den Marterpfahl eingeführt haben. (lacht)
Die Mitarbeiter, die Führungskräfte und die Geschäftsleitung empfinden also die Lagerfeuer als bereichernd und wichtig. Sie wollen diese nicht mehr missen. Die Lagerfeuer sind attraktiv durch ihre Flexibilität (mal große Feuer, mal kleine,…), durch ihre Variabilität (es gibt immer wichtige/neue Informationen, also keine Abnutzungserscheinungen) und durch ihre Kürze – denn in diesen liegt ja bekanntlich die Würze. Und das bedeutet für GERO: Schaffe ist Schaffe! Und bei den Lagerfeuern werden die Impulse für gelungenes „Schaffe“ gelegt.

Unsere Leser interessiert natürlich: betreuen Sie die Mitarbeiter von GERO weiterhin mit Ihren Ideen? Sind Folgeprojekte vorstellbar?

Ich bin als externe Beraterin nur noch punktuell mit an Bord und das ist auch gut so. GERO und ich das fühlt sich gut an und es ist auch aufgrund des Internationalen Deutschen Trainingspreises eine richtige Erfolgsgeschichte.
Ich finde es wichtig, dass sich GERO nicht abhängig von mir gemacht hat bzw. ich mich nicht von GERO. Wir waren gemeinsam mit der Geschäftsleitung sehr schlau und haben gleich zu Beginn meiner Tätigkeit meinen Abschied geplant. Ich durfte einen jungen DH-Studenten dahin entwickelt, „meine“ Aufgabe zu übernehmen. Heute gibt es bei GERO mit seinen 180 Mitarbeitern einen eigenen Personal- und Organisationsentwickler. Ein absolutes Novum für ein solches Unternehmen in einer solchen Region. Dieser fragt mich eben manchmal noch um Rat bzw. um meine Meinung. Außerdem hat er von mir eine klare Entwicklungs-Empfehlung: er wird in ein- bis zwei Jahren (1) eine Ausbildung zum Systemischen Berater und (2) die Zertifizierung im persolog® Persönlichkeits-Modell machen. Beide Ausbildungen sind eine Hammer-Kombination, die ich jedem Trainer, Coach, Berater nur empfehlen kann!
Ich bin derzeit wieder in anderen Projekten unterwegs und wer neugierig ist, in welchen, der schaue einfach unter www.die-tanja-koehler.de

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